Die Klasse 10a der Ostschule-Europaschule reiste im Februar zur Seminarfahrt nach Berlin
Früh um 7:00Uhr ist eigentlich noch keine Zeit für pubertierende Jugendliche, doch unsere 10er standen putzmunter und superpünktlich abholbereit an der Schule. Nach drei Stunden Fahrt und fünf Runden rennen um den Bus waren wir auch schon am Ziel. Insgesamt erwarteten uns 5 Module, die für die Schüler und durch die Schüler gestaltet worden.
Die erste Etappe führte zum Mahnmal für die ermordeten Juden Europas. Dort wird in einer Ausstellung unter dem Stelenfeld die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden dargestellt. Im Foyer wurden unsere Jugendlichen mit Audioguides ausgestattet, erhielten Grundinformationen und verschafften sich im Anschluss individuell historische Eindrücke in den vier Themenräumen. Beeindruckt waren vor allem die Schüler von persönlich erlebten Geschichten, sei es auf Postkarten, Zeitzeugenberichten oder Bildern, die heimlich aufgenommen wurden. Einige Briefe wurden durch Youri, einen Mitschüler, vorgelesen. Diese erzeugten ein beklemmendes Gefühl. Am Ende hinterließen die Schüler im Kondolenzbuch ihre Eindrücke, indem sie den Ort als bereichernde Erfahrung zum Geschichtsunterricht beschrieben, denn „so kann das ein Geschichtsunterricht gar nicht begreifbar und erlebbar“ darbieten.
Nach einer Pause ging es weiter zum Reichstagsgebäude. Dort erwarteten die Schüler zwei weitere Module: 1. Die Besichtigung des Plenarsaales und Vortrag zur Arbeit des Bundestages mit anschließendem Kuppelbesuch und 2. ein Gespräch mit MdB Elisabeth Kaiser. Beides ermutige die Schüler vielfältige Fragen zu stellen. Stark aufbereitete Schülerfragen wurden vor allem an MdB Kaiser gestellt, sodass die eine Stunde kaum ausreichte. Die Fragen waren vielfältig, so z.B. zum Nah-Ost-Konflikt; zur Arbeit eines Abgeordneten im Umgang mit Oppositionsparteien, zu Themenfeldern der SPD, aber auch zur Privatperson. Keine Frage blieb unbeantwortet und so wurde aus anfänglicher Skepsis der Schüler ein bewusstes und wertschätzendes Miteinander, welches zum Verständnis für politische Prozesse und Entscheidungen beitrug.
Am Abend blieb den Schülern ausreichend Möglichkeit, die gewonnen Eindrücke zu verarbeiten, eh es in der Julius Leber-Kaserne zum Nachtschlaf ging. Bei manchen dauerte das so lange, dass sie das Aufstehen verpassten und quasi in Morgensportmanier, sich waschen, ihr Zimmer räumen und zum Frühstück sprinten mussten. Mit so einem warm up hatte keiner gerechnet. Dennoch hatten die Kids Glück, denn ein Offizier hatte mit der schlaftrunkenen Jugend Mitleid und so ging es via Anhalter zum Frühstück ;-)
Um 9:00 begann der dritte Teil der Seminarreise in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Hierbei handelt es sich um einen Ort des Erinnerns und der historisch-politischen Bildung. In der Gedenkstätte sind u.a. einzelne Menschen, aber auch Gruppen verschiedener Gesellschaftsstrukturen zu sehen, die passiven, aber vor allem auch aktiven Widerstand gegen das NS-Regime zeigen. Nach einem Rundgang in die verschiedenen Ausstellungsräume wurde den Schülern*innen nicht nur bewusst, dass es sich um einen realen Ort der Geschichte handelt, sondern sie wurden auch gebeten, sich selbst ein Bild über die verschiedenen Widerstandsgruppen (Militär, Kirche, Jugendliche usw.) zu machen. Sie bereiteten ihren Mitschülern eine 5-minütige Präsentation vor. Dadurch wurden die Schüler*innen in die Lage versetzt, handlungsorientiert ein Thema ihrer Wahl inhaltlich zu vertiefen. Mit dem Gedanken, dass an diesem Ort Menschen hingerichtet wurden, welche für die Freiheit kämpften, traten wir (nach einer Mittagspause) die letzte Etappe unserer Seminarreise an.
Diese führte uns zu einem Ort des Erinnerns in der Gegenwart, zum Wald der Erinnerung bei Potsdam. In der Henning-von-Treskow-Kaserne werden die militärischen Einsätze der Bundeswehr nicht nur geplant, koordiniert und durchgeführt, sondern auch gefallener Soldaten in Ausübung ihrer verfassungsrechtlichen Vorgaben gedacht. Dieser Ort ist von besonderer Bedeutung, da er vor allem Familienmitgliedern, Freunden und Interessierten die Möglichkeit gibt, sich mit dem Tod und Sterben auseinander zu setzen. Die Führung durch den Friedwald war sehr emotional. Mit der Schaffung des Ortes der Stille im halb-öffentlichen Raum wird den gefallenen Soldaten als auch den Familienmitgliedern eine besondere Wertschätzung entgegengebracht.
Die Klasse 10a hatte verschiedene Ebenen der politischen Bildung kennengelernt und individuell vertieft. Durch das Lernen am anderen Ort wurden neue Erfahrungsräume erschlossen und ab und an gab es dennoch die Möglichkeit des Verschnaufens. Die Seminarreise orientierte sich an lehrplanrelevanten Themen und war fächerübergreifend in Geschichte - Ethik - Sozialkunde. Wir danken der Schulleitung, welche die Reise genehmigte, der Jugendoffizierin Günther, die mit ihren Partnern und Frau Thomae die Seminarfahrt plante und organisierte, Frau Elisabeth Kaiser (MdB), die sich für uns Zeit nahm, um Rede und Antwort zu stehen, sowie unserem Busfahrer Christian von Herzum-Tours, dem immer ein lockerer Spruch auf den Lippen lag.
Text und Bilder: Frau Thomae